Erst Diplom, dann Wassersportlehrerin und Vertretungslehrerin – und nun „echte“ Lehrerin im Berufskolleg

Kerstin Seibert, Seiteneinsteigerin, Nordrhein-Westfalen (Deutschland)

Nach meinem Abitur habe ich zunächst an der Freien Universität Berlin angefangen, Lehramt Sek. II in den Fächern Englisch und Sozialwissenschaften zu studieren. Nach dem ersten Semester wurden schlechte Einstellungsprognosen für unseren voraussichtlichen Abgangsjahrgang veröffentlicht. Dies hatte mich dann dazu bewogen, meinen Studiengang zu wechseln und Erwachsenenbildung auf Diplom zu studieren. Mein Studium habe ich nach zahlreichen Auslandsaufenthalten sowie einer parallelen Ausbildung zur geprüften Katamaran-Lehrerin beim Verband deutscher Windsurfing und Wassersportschulen (VDWS) als Diplom-Pädagogin an der Universität Paderborn abgeschlossen. Als Studentin habe ich immer als Nachhilfelehrerin für verschiedene Nachhilfeinstitute in den Fächern Englisch, Französisch und Mathematik gearbeitet. In dieser Zeit habe ich meine Lehrtätigkeit immer als Bereicherung empfunden und auch viel von meinen Schülerinnen und Schülern gelernt.

Über Kontakte als Vertretungslehrerin zum Berufskolleg gekommen

Nach erfolgreichem Diplom habe ich eine erste Anstellung als Standortleitung eines Bildungsträgers angetreten. Über diese Tätigkeit hatte ich viel Kontakt zum ortsansässigen Berufskolleg mit der Betreuung von Auszubildenden in „Ausbildungsbegleitenden Hilfen”. Durch einen Zufall habe ich dann im Bereich der Berufsvorbereitung in den Fächern Deutsch, Wirtschaftslehre/Politik sowie Mathematik als Vertretungslehrerin am Berufskolleg ausgeholfen. Im Laufe der Zeit habe ich immer mehr Unterrichtsstunden im Berufskolleg angenommen und meine Stundenzahl beim Bildungsträger weiter reduziert. Nach kurzer Zeit stand für mich der Entschluss fest, wieder an meinem ursprünglichen Berufswunsch festzuhalten und alles daran zu setzen, am Berufskolleg Fuß zu fassen.

Arbeit in der Schule macht viel Spaß

Die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern hat mich immer wieder begeistert. Das Planen und Vorbereiten von kreativen Unterrichtssequenzen eröffnete mir neue Möglichkeiten, meine Arbeitswelt aktiv zu gestalten. Bevor ich dann den offiziellen Seiteneinstieg in NRW machen konnte, war ich bereits vier Jahre an einem Berufskolleg als Lehrkraft mit den Fächern Sozialpädagogik, Wirtschaftslehre/Politik, Mediengestaltung, Datenverarbeitung, Deutsch und Englisch tätig. Meine Fakultas für Englisch habe ich über einen Zertifikatskurs der Bezirksregierung Detmold berufsbegleitend nachgemacht und konnte somit erste Einblicke in die Ausbildung von Lehrkräften für den Sek. II Bereich sammeln. Den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen von anderen Berufskollegs empfand ich als sehr gewinnbringend und inspirierend.

Herausforderung Seiteneinstieg bis an meine Grenzen

Der Seiteneinstieg (OBAS*) war aber dann für mich noch einmal eine ganz andere Herausforderung. Ich wurde in den Fächern Sozialpädagogik und Wirtschaftslehre/ Politik ausgebildet. Die wöchentlichen Seminarbesuche sowie die zahlreichen Unterrichtsbesuche und Beratungen haben eine zentrale Rolle während meiner Ausbildung eingenommen, insbesondere im Hinblick auf den Faktor Zeit. Die zusätzliche Unterrichtsverpflichtung von bis zu 20 eigenverantwortlichen Stunden pro Woche sowie die zahlreichen weiteren Aufgaben, die ich bereits im Schulalltag übernommen hatte, forderten mich in der Umsetzung meines Zeitmanagements stark heraus.

Im Nachhinein war es eine sehr anstrengende Zeit, die mich in meiner pädagogischen Arbeit gefordert und gefördert hat, mich aber auch immer wieder an meine persönlichen Grenzen gebracht hat.

Meine vorberuflichen Erfahrungen im Sport sind häufig „Türöffner” zu den Schülern

Durch meine Tätigkeit als Lehrerin eröffnen sich für mich aber auch immer wieder neue Dimensionen, die ich mit meiner Begeisterung für Wintersport sowie Erlebnispädagogik, Segeln, Mountainbiken und Klettern im Rahmen von Klassenfahrten gut verbinden kann. Ich unterstütze Schülerinnen und Schüler nicht nur im Unterricht, sondern lasse sie so auch neue Welten entdecken. Meine fachlichen Kompetenzen im Planen, Durchführen und Reflektieren von Unterricht konnte ich durch die Ausbildung maßgeblich erweitern und fühle mich daher in vielen Situationen handlungsfähiger als vor meiner Ausbildung.

Rückblickend kann ich jedem, der den Seiteneinstieg in den Lehrberuf wagen möchte, nur dazu raten. Die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern bereitet mir jetzt auch nach 6 Jahren Berufskolleg immer noch viel Freude. Jeden Tag lerne ich immer wieder etwas neu dazu und es wird nie langweilig.

* In NRW berufsbegleitende Ausbildung von Seiteneinsteiger/innen, die aus Gründen dringenden Personalbedarfs in den Schuldienst eingestellt werden (Lehrkräfte in Ausbildung).