Christine Cermak (Österreich)
Als ich mich mit 35 Jahren entschied, die Studienberechtigungsprüfung für die Religionspädagogische Akademie abzulegen, hatte ich bereits einen langen beruflichen Weg hinter mir.
Nach Beendigung der Handelsschule arbeitete ich zuerst in einem kleinen Betrieb als Bürokraft. Zu meinen Tätigkeiten gehörten Schriftverkehr und Buchhaltung ebenso wie Arbeiten in der dazugehörigen Landwirtschaft. Nach einem halben Jahr hatte ich die Chance in ein Ministerium zu wechseln, wo ich eine typische Beamtenlaufbahn absolvierte: von der „Schreibstube” in ein Sekretariat, später dann Abschluss der Beamtenaufstiegsprüfung („B-Matura”) und schließlich Anstellung als Referentin für Budgetangelegenheiten.
Eigentlich hätte ich mit dieser Kariere schon zufrieden sein können, aber es lockte mich (und meine Familie) das Abenteuer und so entschlossen wir uns zu einem dreijährigen Einsatz als Entwicklungsarbeiter in der Zentralafrikanischen Republik.
Nach diesen prägenden Jahren veränderte sich vieles. Durch einen Ortswechsel (von Wien nach Zwettl) entschied ich mich schweren Herzens mein Dienstverhältnis beim Bund zu kündigen und mich beruflich neu zu orientieren. Zuerst bewarb ich mich um verschiedene Anstellungen im öffentlichen Dienst, hatte jedoch keine Chance. Danach versuchte ich über die Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice (AMS) den beruflichen Wiedereinstieg zu schaffen. Als dieses mir jedoch eine Stelle als Raumpflegerin anbot, reichte es mir. Ich entschied mich zur Weiterbildung.
Die Zeit meiner Ausbildung war von Höhen und Tiefen geprägt. Die erste Hürde war die Studienberechtigungsprüfung, Danach folgten fünf Jahre Studium an der Religionspädagogischen Akademie in der sogenannten „Berufstätigenform”. D.h. ich war drei Kurswochen pro Jahr in Wien und dazwischen musste ich die Prüfungen ablegen. Gleichzeitig begann ich schon mit einer halben Lehrverpflichtung zu unterrichten und erlebte, wie schön und abwechslungsreich der Umgang mit Kindern ist. In extremen Stresszeiten (Prüfungen, Beruf, Haushalt, Kinder) fragte ich mich oft, warum ich mir das wohl antue. Mein Mann und meine Kinder zitterten mit mir mit und freuten sich über meine Erfolge. Nach jeder Prüfung fühlte ich mich bestätigt und machte mit neuem Mut weiter. Das Studium erlebte ich als sehr bereichernd. Oft saß ich in einer Vorlesung und war sehr dankbar, dass ich gerade diese Ausbildung machen konnte. Die Verfassung meiner Diplomarbeiten und die bestandene Diplomprüfung für Volks-, Haupt- und Polytechnische Schulen gaben mir eine unheimliche Selbstbestätigung.
Jetzt unterrichte ich mit einer vollen Lehrverpflichtung katholische Religion in der Volksschule und bin sehr zufrieden mit meinem Leben. Ich bin der Meinung, dass ich den besten Beruf habe, den es für mich geben konnte. Als positiv erlebte ich, dass ich im Rahmen des österreichischen Bildungssystems auch noch mit 35 Jahren eine Möglichkeit finden konnte, mich neu zu orientieren und die Ausbildung machen zu können, die mir liegt.
Mit 20 Jahren wäre ich sicher nicht reif genug gewesen für den Beruf einer Lehrerin.